Blockchain and logistics - a real-world approach
Warum die Blockchain uns nicht retten wird, aber in bestimmten Nischen doch Potential haben könnte

2018 war das Jahr der Blockchain - zumindest für unser Unternehmen. Wir befinden uns zu diesem Zeitpunkt im Silicon Valley und sind auf der Suche nach Partnern für unsere Kühlketten-Überwachungsplattform SUPPLIoT. In vielen Gesprächen werden wir  gefragt, ob wir auf die Blockchain setzen. "Jein" lautet unsere verhaltene Antwort: Wir können sie einsetzen, jedoch nur in den Teilbereichen, die auch Sinn machen - und auch dort nicht priorisiert, da unsere Plattform eigentlich andere Probleme lösen möchte. Gleichzeitig sprießen zahlreiche Logistik-Plattformen, die die Blockchain Technologie nutzen, aus dem Boden, und wöchentlich gibt es neue Webinare zu dem Thema. Zeitungsartikel berichten über die "Revolution im Palettentausch" und Unternehmen, die die Blockchain nicht einsetzen sind "out".

Für uns Grund genug, eine Kosten/Nutzen-Analyse zu erstellen, und auf mögliche Potentiale sowohl bei SUPPLIoT als auch in unserem Unternehmensverbund (Förster Gruppe) einzugehen.

Google Trends zeigt das Interesse zu Blockchain im zeitlichen Verlauf:

Blockchain und Logisitk - Google Trends

Mittlerweile hat sich der Hype schon  abgeflacht: Erste Berichte über "why enterprise blockchain projects fail" erscheinen, und die einst lauten Stimmen zur Revolution der Blockchain werden leiser. Im folgenden Artikel beschreiben wir unsere Sicht der Dinge zum Einsatz der Blockchain in der Logistik.

Die Blockchain - ein Chrashkurs

Die folgenden Zeilen sollen eine Kurzeinführung zur Blockchain geben. Das Thema ist extrem umfangreich, und es existieren viele gute und detaillierte Artikel dazu, z.B. hier.

Die Blockchain (oder Distributed Ledger Technology) ist vor allem wegen ihrem gängigsten Einsatzzweck - digitale Währung - z.B. in Form von Bitcoin bekannt. "Blockchain" beschreibt dabei die dahinterliegende Technologie zur unveränderbaren und sicheren Speicherung von Transaktionsdaten bei Geldbewegungen.

Blockchain und Logistik - Nasdaq

Dabei wird der gleiche Datenstand auf verschiedenen Systemen gehalten. Wird ein neuer Datensatz (ein neuer Block) erstellt, so wird dieser mittels Kryptographie an die davorliegenden Datensätze angekettet, und dieser Vorgang von anderen Teilnehmern auf Validität geprüft. Dies ermöglicht eine verteilte Speicherung der Daten bei welcher bereits geschriebene Datensätze nicht (bzw. nur mit enormen Rechenaufwand) verändert werden können. Die Blockchain ist dabei für alle Teilnehmer einsehbar, was eine Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung der Daten notwendig macht.

Einsatzfelder in der Logistik

Die Logistik gilt neben der Geldwirtschaft als eines der Paradebeispiele für die Möglichkeiten der Blockchain. Hier ein paar mögliche Einsatzfelder:

  • Containermanagement bei Übserseefracht

  • Ablieferbestätigungen als Ersatz des klassischen Proof-of-Delivery (POD) einholen

  • Palettenbewegungen dokumentieren

  • Kühlketten überwachen

Die genannten Anwendungsfälle haben folgende Gemeinsamkeiten:

  • Es findet ein Eigentümer- und/oder Risikoübergang statt

  • Mehrere TeilnehmerInnen sind involviert

  • Es könnte Misstrauen zwischen den TeilnehmerInnen herrschen

Warum die Blockchain nicht die Lösung ist

Wir haben den Eindruck bekommen, dass viele EntscheidungsträgerInnen denken, die Blockchain sei das Allheilmittel für langsame, manuelle und fehleranfällige Prozesse. Und hier liegt unserer Meinung nach das Problem: Die Technologie wird als Wundermittel gesehen und nicht als das was sie ist: eine Methode, Daten unveränderbar zu speichern.

Die eigentlichen Probleme liegen aus unserer Sicht in anderen Bereichen (wie in Folge mit Beispielen aus dem Use-Case "Palettentausch" erklärt):

Garbage in - Garbage out

Ein datenhaltendes System kann nur so akkurat sein, wie die Daten mit denen es befüllt wurde. Werden bei der Erfassung bereits Fehler gemacht (wie es zum Beispiel in einer stressigen Situation an der Laderampe auch mit Papierbelegen vorkommt), so werden diese in das System (die Blockchain) übernommen. Die Technologie der Blockchain kann die Validität der eingegebenen Daten nicht kontrollieren.

Alternativlösungen: Einfach auszulesende Informationsträgersysteme wie z.B. RFID

Analoge Prozesse

Solange Prozesse auf Papier abgewickelt werden, ist es irrelevant, ob hinter der Datenerfassung eine normale (z.B. relationale) Datenbank steht, oder eine Blockchain. Die Daten werden durch den Medienbruch nicht automatisiert übernommen. Vielen Frächtern fehlen hierzu einfach die technischen Möglichkeiten, digitalisierte Prozesse umzusetzen.

Datenaustausch

Seit vielen Jahren werden von diversen Gremien Standards herausgegeben, welche die Kommunikation zwischen Geschäftspartnern erleichtern sollen (z.B. EDIFACT). Unsere persönliche Erfahrung hat gezeigt, dass selten Schnittstellenimplementierungen für Unternehmen A 1:1 auf Unternehmen B übernommen werden können. In vielen Fällen ist ein Customizing der erhaltenen Daten notwendig, was sich bei Unternehmen mit geringer IT-Kompetenz oft schwierig und teuer gestaltet. Die Blockchain kann dieses Problem nicht lösen, da auch hier Daten nach einem definierten Standard eingespielt werden müssen.

Alternativlösungen: Effiziente und einfach zu bedienende Datenmanipulationstools

Betrug passiert selten "nach Speicherung"

Stellen Sie sich den klassischen Prozess beim Palettentausch vor: Selten werden Palettenscheine im Nachhinein manipuliert. Die Gegenseite hat doch ihre "Version der Wahrheit" und wird eine entsprechende Manipulation reklamieren (was natürlich zu Streit führen würde, welcher sich in diesem Fall durch die Blockchain eindeutig entscheiden ließe). Das Hauptproblem liegt jedoch viel öfter in der direkten Manipulation bei der Erfassung: Paletten werden falsch gezählt oder als mangelhaft durch den/die ÜbernehmerIn bewertet, sodass eine entsprechende Schuld beim Empfänger nicht entsteht. 

Ein anderes Beispiel ist die Überwachung der Kühlkette. Temperaturkurven könnten zwar eventuell im Nachhinein verändert werden, jedoch kann nicht garantiert werden, dass der Sensor mit dem die Messung getätigt wurde nicht bereits manipuliert ist.

Alternativlösungen Palettenschein: Dokumentation über Bild- oder Videoaufzeichnungen

Alternativlösungen Kühlkette: Anomalieerkennung zur Erkennung von manipulierten Daten, regelmäßige Audits der Datenkette durch unabhängige Dritte

Interoperabilität zwischen Inselsystemen

Setzen unterschiedliche Logistikanbieter auf unterschiedliche Systeme zur Verwaltung von Daten (zum Beispiel Daten zu Palettentausch), muss eine Interoperabilität zwischen den Systemen hergestellt werden, um Daten zu synchronisieren. Auch dieses Problem löst die Blockchain nicht, da auch hier unterschiedliche Anbieter auf verschiedene Blockchain-Implementierungen setzen könnten.

Eine nachhaltige Alternative aus unserer Sicht: die Blockchain als das sehen was sie ist

Die Blockchain bietet einige Funktionen, die entscheidende Vorteile zur Abwicklung von Geschäftsprozessen bieten können, darunter:

  • Unveränderliche Daten: Werden Daten in das System gespielt, werden sie mit einem Zeitstempel versehen, und sind nicht mehr veränderbar

  • Zweifelsfreie Zuordnung: Alle Werte lassen sich einem Teilnehmer zuordnen. Unklarheiten können damit ausgeschlossen werden.

  • Zwischeninstanzen werden ausgeschlossen: Diverse Plattformen, bzw. Institutionen wie Banken / Notare / Staaten sind (zumindest für den Prozess der Datenhaltung) nicht mehr notwendig.

Diese Vorteile sollten explizit gesehen und bewertet werden. Die Blockchain als Teil eines sinnvoll durchdachten Gesamtkonzeptes, kann in gewissen Nischen (z.B. sobald sämtliche andere Hürden im Palettentausch überwunden wurden) zu Vorteilen führen.

Fazit

Die Blockchain ist für bestimmte Teilbereiche  eine vielversprechende Technologie, die ineffiziente, korrupte oder fehlerhafte Zentralspeicher bzw. -verwalter ausschalten kann (was auch der ursprünglich genannte Faktor im Bitcoin-Whitepaper war). Jedoch sollte man nicht vergessen, dass Zwischeninstanzen nicht nur ineffizient, korrupt oder fehlerhaft sein können, sondern im Gegenteil wichtige Funktionen liefern können, darunter z.B.:

  • beratende und unterstützende Funktionen in der Implementierung

  • Kontrolle der Daten auf Validität

  • Verpflichtung zur Datensicherheit

  • Unparteiisches Zwischenglied

Die Blockchain daher als "Lösung aller Logistikprobleme" zu sehen, ist ein Ansatz den wir in der Praxis sehr oft erlebt haben, den wir so nicht immer nachvollziehen können. Viel mehr sollte sie als das gesehen werden, was sie ist: Ein innovativer Ansatz, Daten verteilt und unveränderbar zu speichern.

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